Krebsexpert:innen fordern Etablierung von Cancer Nurses

Eine lange Liste renommierter Krebs-Expert:innen schlägt Alarm und fordert rasche Maßnahmen zur Etablierung von Cancer Nurses. 

• Bis 2040 Verdoppelung der Krebspatient:innen in Österreich
• Professionelle Pflege nur durch neue Berufsrollen in der Pflege abzusichern
• Politische Weichenstellungen dafür sind umgehend nötig – vier Forderungen

Wien, 21. Juni 2023 | Die absehbare demografische Entwicklung Österreichs wird auch den Gesundheitssektor vor enorme Herausforderungen stellen. So rechnen Prognosen für 2040 mit 46 % mehr älteren Menschen als heute –  oder 2,5 Millionen Personen im Alter über 65 Jahre. Aufgrund von Begleitfaktoren wird sich die Zahl der Krebspatient:innen bis dahin sogar verdoppeln. Die Ausbildung von onkologischem und hämatologischem Fachpersonal kann mit den bestehenden Strukturen damit keinesfalls auch nur annähernd Schritt halten. 

Eine lange Liste renommierter Krebs-Expert:innen schlägt daher Alarm, denn die Vorlaufzeiten, bis neue Berufsbilder etabliert und neue Kräfte ausgebildet sind, sind nachvollziehbar sehr lang. „Wenn die Politik hier nicht  umgehend handelt, schließt sich dafür ein Zeitfenster – und in wenigen Jahren kann die Qualität der Patient:innen Versorgung nicht aufrecht erhalten werden“, warnt Prim. Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Past President der  österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (OeGHO). 

„Wir als Expert:innen haben darum ein Forderungspapier erarbeitet, in dessen Zentrum das Berufsbild der ‚Cancer Nurse‘ steht“, schließt daran Harald Titzer, BSc, MSc, DGKP, Präsident der Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen in Österreich (AHOP) an. „International ist dieses längst etabliert. Nur Österreich hinkt deutlich hinterher.“ 

Unter den Autor:innen des Forderungspapiers finden sich neben Hilbe und Titzer unter anderem auch Mag. Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- & Krankenpflegeverbands (ÖGKV), Franziska Moser,  BA, MA, Pflegedirektorin Uniklinikum Salzburg, und Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. 

Dringend nötig: Etablierte Ausbildung & attraktives Berufsbild für Cancer Nurses
Mit ihrem Forderungspapier wollen die Expert:innen die Politik dazu bewegen, das Berufsbild Cancer Nurse endlich auch in Österreich auf die Basis einer formell anerkannten, attraktiven Ausbildung zu stellen und alle nötigen  Schritte dafür zu setzen. Cancer Nurses können auf Basis einer ganz spezifischen Ausbildung jene kontinuierliche und individuelle Begleitung bieten, die dem Anspruch einer zeitgemäßen personalisierten Medizin entspricht.  Gerade eine Krebserkrankung in ihrer Komplexität und Vielfalt an Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen erfordert diese hoch qualitative Betreuung. 

Eine Cancer Nurse ist Manager:in und Navigator:in für Krebspatient:innen und agiert als Bindeglied zwischen Patient:innen, zuständigen Onkolog:innen und Hämatolog:innen sowie anderen Berufsgruppen des multiprofessionellen Teams. In Zusammenarbeit mit den Generalist:innen in der Pflege verfügt sie über vertieftes Fachwissen in Bezug auf ihre Patient:innengruppe, hat Erfahrung im Umgang mit krankheitsspezifischen Symptomen sowie möglichen  therapiebedingten Nebenwirkungen und kennt und vermittelt angemessene Unterstützungsangebote. Für die Spezialisierung einer DGKP zur Cancer Nurse entsprechend §17 GuKG sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Hämatologie und/oder Onkologie erforderlich. Die Expert:innengruppe empfiehlt hierfür die Implementierung des Cancer Nursing Education Framework der European Oncology Nurse Society (EONS). 

Weiterqualifikation zur Advanced Cancer Nurse möglich und attraktiv
Aufbauend auf eine Ausbildung zur Cancer Nurse ist in Kombination mit einem konsekutiven Masterabschluss zur Advanced Practice Nurse auch eine Weiterqualifikation ist zur Advanced Cancer Nurse möglich, was das Berufsbild weiter attraktiviert: Dabei handelt es sich um Cancer Nurses/DGKP, die ihre Kompetenzen durch Praxiserfahrung und ein Masterstudium vertiefen und erweitern. Damit stellen sie ein Bindeglied zwischen Pflegewissenschaft und Pflegepraxis dar. Beide Berufsbilder bieten neue Perspektiven und Karrierechancen für Pflegepersonen. Wesentlich dafür, Menschen für diesen Berufsweg zu begeistern, wird nicht zuletzt die Finanzierung der Weiterbildung bzw. des Studiums und eine adäquate finanzielle Abgeltung der Qualifikation sein. 

Vielfacher Nutzen von Cancer Nurses
Die Investitionen in den Aufbau entsprechender Ausbildungsmöglichkeiten sowie in weiterer Folge in die angemessene Bezahlung der Ausgebildeten machen sich vielfach bezahlt: 

• Die Navigationsfunktion der Cancer Nurse bewirkt Kontinuität in der Versorgung und verbesserte Kommunikation.
• Die Rolle als zentrale Anlauf- und Schnittstelle erhöht Behandlungsqualität und somit die Lebensqualität.
• Die Begleitung über den gesamten Behandlungsprozess vermittelt fachliche, administrative und psychosoziale Unterstützung und führt zu mehr Selbständigkeit und Patient:innenautonomie.
• Das führt zu signifikanter Verbesserung des Patient:innen-Outcomes und der Patient:innenzufriedenheit.
• Die Betreuung verkürzt die Verweildauer in Kliniken, senkt Komplikationsraten und resultiert in einer Kostensenkung für Gesundheitseinrichtungen durch die Reduktion der ungeplanten Krankenhausaufnahmen und Wiedereinweisungen.

Vier konkrete Forderungen
Vor diesem Hintergrund geht es den Autor:innen des Forderungspapiers um vier konkrete Anliegen:
• Festschreibung der Cancer Nurse im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) inkl. struktureller Vorgaben für die unterschiedlichen Versorgungsebenen in der Onkologie
• Gesetzliche Verankerung einer gestuften Spezialisierung zur Cancer Nurse im § 17 GuKG (Spezialisierungen), mit gleichzeitiger Aufhebung einer Ausbildungsverpflichtung innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit
• Vereinheitlichung von Ausbildungsinhalten und -dauer durch Erweiterung der Verordnung über Sonderausbildungen für Spezialaufgaben in der Gesundheits- und Krankenpflege (GuK-SV)
• Etablierung von Fachkarrieren in Anlehnung an eine Führungskarriere im Pflegebereich auch durch eine angemessene Gehaltseinstufung

Steigende Komplexität der Krebstherapie resultiert in komplexem Betreuungsbedarf der Patient:innen
„Die laufenden Fortschritte der Medizin in der Krebstherapie bedingen auch, dass wir bei der Betreuung und Nachsorge der betroffenen Patient:innen mit neuen Ansätzen nachziehen – anstatt zu versuchen, irgendwie mit den bestehenden Ressourcen und Ausbildungen auszukommen“, erklärt Elisabeth Potzmann als eine der Hauptbetreiber:innen das Anliegen. Daniela Haselmayer, BSc, MSc, DGKP (Cancer Nurse) erläutert aus Sicht der Praxis:  „Krebspatient:innen benötigen Ansprechpersonen zwischen den Behandlungsterminen, die sie durch den vielschichtigen Versorgungsprozess begleiten und mit ihnen zwischen intramuralem Bereich und extramuralem Angebot navigieren. Unter den körperlich und psychisch belastenden Bedingungen einer Krebstherapie – die oft auch noch enorme finanzielle Belastungen und massive Existenzfragen mit sich bringt – ist eine solche Unterstützung   unverzichtbar.“ Franziska Moser, BA, MA, DGKP (Pflegedirektorin) resümiert: „Mit der GuKG-Novelle 2016 gibt es ein klares Bekenntnis zur tertiären Ausbildung in der Pflege. Es wurden in allen Bundesländern Bachelorstudiengänge für die Gesundheits- und Krankenpflege eingerichtet. In etlichen Bundesländern sind bereits weiterführende konsekutive Masterstudiengänge für Advanced Practice Nursing etabliert. Es geht nun in einem nächsten Schritt darum, dass diese auf Bachelor- und Master-Niveau ausgebildete Pflege auch direkt beim Patienten wirksam wird und das Potenzial dieser Ausbildung auch direkt in der klinischen Patient:innenversorgung  ankommt. Das bedeutet, dass wir für die klinische Pflegepraxis attraktive neue Berufsrollen wie die der (Advanced) Cancer Nurse schaffen und individualisierte Karriere- und Gehaltsentwicklungen möglich machen müssen.“ 

 

Rückfragen bitte an
OeGHO
Walter Voitl-Bliem
+43 664 4053646
walter.voitl-bliem@oegho.at

AHOP
Harald Titzer
+43 699 144 22 584
h.titzer@ahop.at

Definition Cancer Nurse
A cancer nurse is a qualified registered nurse who has the authority and full responsibility to provide essential nursing care to people affected by cancer. This care is based upon their evidence-based, specialized, ethical and  personal knowledge and skills. Cancer nurses are fully accountable in all cancer care settings and across the care continuum for all nursing services and associated patient out-comes provided under their direction. 
European Oncology Nursing Society – EONS 

Definition Advanced Cancer Nurse
An Advanced Practice Nurse (APN) is a generalist or specialised nurse who has acquired, through additional graduate education (minimum of a master’s degree), the expert knowledge base, complex decision-making skills and clinical competencies for Advanced Nursing Practice, the characteristics of which are shaped by the context in which they are credentialed to practice.” International Council of Nurses – ICN

Österreichische Krebshilfe Niederösterreich

Sibylle Rasinger BA, MSc
Geschäftsführung
Beratungsstelle Wr. Neustadt

Tel: 050899/2297 oder 2279
Mobil: 0664-3237233
Email: rasinger(at)krebshilfe-noe.at